Können Roboter menschliche Arbeit überflüssig machen?

18.07.2017
Können Roboter menschliche Arbeit überflüssig machen?

Zusammenfassung

„Rund die Hälfte der Arbeitsplätze kann prinzipiell automatisiert werden”. Hans-Jörg Naumer, Global Head of Capital Markets and Thematic Research im Gespräch mit Dr. Carl Benedikt Frey, Oxford Martin School, University of Oxford. Abgedruckt im AllianzGI Update Magazin II, 2017

"Aus keiner ökonomischen Gesetzmäßigkeit lässt sich ableiten, dass die meisten Arbeitnehmer auf lange Sicht von der Automatisierung profitieren werden."

(Carl Benedikt Frey)

Herr Frey, Ihre Studie „The Future of Employment“1, die Sie zusammen mit Michael Osborne verfasst haben, ist wahrscheinlich eines der meistzitierten Forschungspapiere zur Frage, ob Roboter menschliche Arbeit überflüssig machen könnten. Können Sie Ihre Ergebnisse kurz zusammenfassen?

Unsere wichtigste Erkenntnis ist die, dass jedes Arbeitsmarktsegment von der Automatisierung betroffen ist. Während frühere industrielle Revolutionen zu einem Rückgang der Nachfrage nach Arbeitskräften in der Landwirtschaft und in der Produktion geführt haben, macht die bevorstehende digitale Revolution nun auch zahlreiche Dienstleistungen automatisierbar. Nach unseren Schätzungen können über alle Branchen hinweg insgesamt 47% der Arbeitsplätze in den USA automatisiert werden.

Trotz genauer Lektüre konnte ich keinen zeitlichen Rahmen in Ihrem Papier dafür finden, wie schnell das passieren könnte. Wird das bereits in naher Zukunft geschehen oder wird es länger dauern, bis Roboter die Arbeitsplätze ersetzen?

Unsere Untersuchung wird häufig dahingehend falsch verstanden, dass wir versuchten, das Tempo der Automatisierung abzuschätzen. Stattdessen steht für uns die Frage nach dem potenziellen Ausmaß im Mittelpunkt. Wie schnell Arbeitsplätze der Automatisierung zum Opfer fallen, lässt sich nicht bestimmen; dies hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, beispielsweise den relativen Kosten von Kapital und Arbeit, der Gesetzgebung und kulturellen Gegebenheiten. Wir wissen aber, dass sich die Zahl der Tätigkeiten, die für eine Automatisierung in Frage kommen, rasch erhöht hat. Aus technologischer Perspektive betrachtet, können sehr viele Tätigkeiten automatisiert werden.

Kritiker könnten Ihnen entgegenhalten, dass Ihre Analyse auf einer recht statischen Sichtweise basiert. Sie schreiben zwar über Tätigkeiten, bei denen es sehr wahrscheinlich ist, dass sie durch Maschinen ersetzt werden können – wie sieht es aber mit neuen Tätigkeiten aus? Hat nicht jeder technologische Fortschritt in den letzten 200 Jahren Altes zerstört und zugleich Neues geschaffen? Könnte die menschliche Arbeit nicht am Ende sogar noch produktiver werden, sodass enorme Lohnsteigerungen zu erwarten wären?

Ein solcher Entwicklungspfad ist sicherlich möglich. Doch in der Zeit der industriellen Revolution dauerte es mehr als ein halbes Jahrhundert, bis die Vorteile der Technologie auch die Arbeiter erreichten. Viele der aktuellen wirtschaftlichen Trends wie zum Beispiel die stagnierenden Medianlöhne und der sinkende Anteil des gesamtwirtschaftlichen Einkommens, der auf den Faktor Arbeit entfällt, waren auch damals gegeben. Die Löhne begannen erst dann zu steigen, als die Arbeiter nach und nach neue Fertigkeiten erwarben, die zur Bedienung der zunehmend komplexen Maschinen erforderlich waren. In der Übergangszeit jedoch sahen sich viele Arbeiter einer Verschlechterung ihrer materiellen Lebensverhältnisse ausgesetzt, was der Hauptgrund für die zahlreichen Aufstände gegen den Einsatz von Maschinen war. In modernen Demokratien, in denen einfache Arbeiter zugleich auch Wähler sind, haben die Proteste eine andere Form angenommen. Unsere Untersuchungen sprechen dafür, dass der überwiegende Teil der von der Automatisierung am stärksten betroffenen Arbeitnehmer sich populistischen Politikern zugewandt hat. Selbst wenn wir annehmen, dass die Arbeitnehmer auf lange Sicht von der Automatisierung profitieren werden, sind die kurzfristigen politischen Implikationen nicht zu vernachlässigen. In diesem Zusammenhang ist auch die Feststellung wichtig, dass wir über die Verteilung der künftigen wirtschaftlichen Vorteile nur spekulieren können. Aus keiner ökonomischen Gesetzmäßigkeit lässt sich ableiten, dass die meisten Arbeitnehmer auf lange Sicht von der Automatisierung profitieren werden.

Die Autoren Brynjolfsson und McAfee prognostizieren, dass die menschliche Arbeitskraft zwar nicht überflüssig werden dürfte, sich die Arbeitswelt aber grundlegend wandeln wird. So wird das von ihnen erwartete „zweite Maschinenzeitalter“ die Arbeitsproduktivität nicht wie das erste Maschinenzeitalter durch die Kombination von Arbeit und Kapital – sprich Maschinen – erhöhen. Stattdessen wird in ihrem Szenario Arbeit durch Kapital ersetzt2. Verstehe ich es richtig, dass Sie diese Sichtweise teilen?

Der fallende Anteil des gesamtwirtschaftlichen Einkommens, der auf den Faktor Arbeit entfällt, spricht dafür, dass Technologie die Form von Kapital annimmt und die Arbeitskraft ersetzt. Das dürfte jedenfalls die allgemeine Tendenz sein. Dessen ungeachtet gibt es nach wie vor viele Beispiele, in denen die Technologie weiterhin eine Ergänzung der Arbeitskraft darstellt.

Nach einer langen Phase sinkender Wachstumsraten (zumindest in den entwickelten Ländern) und verlangsamten Produktivitätsfortschritts erörtern manche Ökonomen das Szenario einer langfristigen Stagnation. Andere dagegen vermuten, dass wir uns am Beginn eines neuen, lange anhaltenden Wachstumszyklus befinden, des 6. „Kondratieff-Zyklus, der von disruptiven Technologien getrieben wird. Wie ist Ihre Einschätzung und was erwarten Sie hinsichtlich der weiteren Entwicklung von Produktivität und Wachstum?

Da rund die Hälfte der Arbeitsplätze prinzipiell automatisiert werden kann, besteht sicherlich ein erhebliches Potenzial für ein starkes Wachstum der Produktivität in der Zukunft. Die dafür erforderliche Technologie existiert jedenfalls. Damit diese Technologie auch zu mehr Wirtschaftswachstum führt, muss sie jedoch auf breiter Grundlage eingesetzt werden. Daher wird das Tempo des Produktivitätswachstums davon abhängen, wie schnell die Technologie Verbreitung findet. Weil der Einsatz einer neuen Technologie zunächst nur langsam in Gang kommt, wie wir aus industriellen Revolutionen der Vergangenheit wissen, beschleunigt sich das Produktivitätswachstum tendenziell erst mit erheblicher Verzögerung. Beispielsweise dauerte es über ein Jahrhundert, bis sich die Vorteile der Elektrifizierung in vollem Umfang bemerkbar machten.

1) Frey, Carl Benedikt & Michael Osborne; “Technology at work"; Oxford Martin School und Citi, Februar 2015
2) Zur Vertiefung empfiehlt sich “Kapitaleinkommen für das 2. Maschinenzeitalter”; Allianz Global Investors, Mai 2016



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