Handelsfinanzierung: Wie geopolitische Trends und FinTechs den Markt verändern
Fast jede Woche kann man in den Nachrichten etwas zum Welthandel lesen. Ob die Angriffe von Houthi-Rebellen auf Handelsschiffe oder das Schiffsunglück im Hafen von Baltimore – alle diese Themen beeinflussen die Lieferketten und damit die Handelsfinanzierung (Trade Finance). Was bedeutet das für institutionelle Anleger?
Weltpolitik und der Welthandel
Während die Bilder von Unfällen und Anschlägen am häufigsten für Schlagzeilen sorgen, sind es auch strukturelle Trends, die sich negativ auf den Welthandel ausgewirkt haben: Die Geopolitik hat teilweise zu einer Umkehrung der Globalisierung geführt und damit zu einem „Reshoring“ oder „Friendshoring“ der Lieferketten von Unternehmen. Darüber hinaus hat auch der Protektionismus seit einigen Jahren zugenommen. Die Zahl der politischen Maßnahmen, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr einschränken, ist sprunghaft angestiegen und im Jahr 2023 wurden weltweit fast 3000 restriktive Maßnahmen von Regierungen ergriffen. Diese Trends haben zu einer Verlangsamung der Wachstumsrate des Welthandels geführt. So gab es im Zeitraum von 2020-2024 das geringste Wachstum seit den frühen 1990er Jahren.1
Tägliches Transithandelsvolumen
Wachsende Nachfrage nach Handelsfinanzierung
Trotz des verlangsamten Handelswachstums ist die Nachfrage nach Trade Finance gestiegen. Die Handelsfinanzierungslücke – die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage – hat sich in den vergangenen Jahren vergrößert und beläuft sich inzwischen auf 2,5 Billionen USD – gegenüber 1,5 Billionen USD vor einigen Jahren.2 Die Welthandelsorganisation (WHO) schätzt, dass 80-90 % des Handelsvolumens von 17 Billionen USD auf Finanzierung3 angewiesen sind. Der Großteil der Handelsfinanzierung wird immer noch von Banken übernommen, während Trade Finance-Lösungen von Asset Managern nur einen geringen Anteil ausmachen.
Banken und FinTechs als Motor
Unabhängig von den direkten Auswirkungen von Handelsunterbrechungen ist die Risikobereitschaft der Bankeneine wichtige Triebkraft für Trade Finance im Asset Management. In der Handelsfinanzierung syndizieren Banken regelmäßig einen Teil ihres eigenen Geschäfts an andere Marktteilnehmer. Institutionelle Investoren, z. B.Versicherungsgesellschaften, Pensionsfonds oder Family Offices, erhalten so Zugang zu dieser Asset Klasse. Als größter Marktteilnehmer spielen dieser Risikoappetit und die Handlungen der Banken eine große Rolle für die kleine Gruppe der Institutionellen Investoren. Zum einen bei der Syndizierung aber auch im direkten Wettbewerb um Finanzierungen. Auch FinTechs sind auf dem Vormarsch in der Handelsfinanzierung, was durch sehr niedrige Zinssätze und große Zuflüsse an Risikokapital angeheizt wurde. Während sich diese Trends in den letzten zwei Jahren umgekehrt haben, gibt es viele FinTechs, die sich bereits selbst tragen können. Institutionelle Investoren sind der natürliche Partner für diese Finanzanbieter, da sie in der Regel nicht als direkte Konkurrenz wahrgenommen werden und gehen daher häufig Partnerschaften mit diesen ein.
Anzahl der handelspolitischen Maßnahmen, die den Handel mit Waren und Dienstleistungen betreffen
Widersprüchliche Trends – wie können Anleger damit umgehen?
Verlangsamte Makrotrends, sich verändernde Bankensyndizierung und ein wachsender Marktanteil von FinTec – was bedeutet das für institutionelle Anleger? Als Anleger ist wichtig, sich auf das zu konzentrieren, was beeinflusst werden kann, und auf das vorbereitet zu sein, was nicht beeinflusst werden kann. Es geht nicht darum, zu versuchen, globale Makrotrends oder die Angebots- und Nachfragedynamik des Welthandels vorherzusagen. Stattdessen ist es wichtig, ein robustes und widerstandsfähiges Netzwerk aus Partnern aufzubauen, die ein breites Angebot an Anlagemöglichkeiten verfügen. Dieses darf nicht von einem einzelnen Sektor, einer bestimmten Region oder einer Marktnische abhängen. Darüber hinaus ist es notwendig, einen sehr offenen Dialog mit den Netzwerkpartnern zu führen. Und es mag einfach klingen, aber es ist ein Muss, nicht zu viel zu versprechen und zu wenig zu liefern: Verlässlichkeit ist der Schlüssel zu jeder Syndizierungsbeziehung.
1 Weltbank, "Der Welthandel ist fast zum Erliegen gekommen. Populismus belastet das Wachstum", 2024
2 Asian Development Bank, 2022
3 World Trade Organization, 2024