Update Magazine II/2022

Die Kraft des langen Atems

Chinas Null-Covid-Politik und das harte Vorgehen der chinesischen Regulierungsbehörden haben die Märkte nervös gestimmt. Trotzdem spricht vieles langfristig für chinesische Aktien. Vereinfacht gesagt, acht Gründe.


Update Magazin II/2022
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Die Macht des Umfelds

Viele Anleger haben die Volatilität an den chinesischen Aktienmärkten mit Sorge beobachtet. Ihre Bedenken sind verständlich. Nur: Die hinter den hohen Kursausschlägen stehenden makroökonomischen und geopolitischen Faktoren ändern unserer Ansicht nach nichts daran, dass langfristig vieles für China spricht. Auf die seit Mitte 2021 rückläufige Wachstumsdynamik der chinesischen Wirtschaft hat die Regierung bereits mit einem klaren Kurswechsel hin zu einer wachstumsförderlichen Politik reagiert. Diese Konjunkturmaßnahmen dürften in den kommenden Monaten Wirkung zeigen. Dabei gilt: Chinesische Aktien korrelieren in der Regel sehr stark mit der inländischen Liquidität. Auf Phasen einer großzügigeren Kreditversorgung folgt häufig eine bessere Aktienperformance. Der China Credit Impulse Index, der den inländischen Kreditzyklus abbildet, zeigt im Jahr 2022 bereits wieder nach oben. Zusammen mit den höheren staatlichen Ausgaben und den besseren Ertragsperspektiven der chinesischen Unternehmen dürfte das zu einem stabileren Marktumfeld führen. Wenn die drastischen Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 wie erwartet gelockert werden, sollte auch die expansivere Geld- und Fiskalpolitik Wirkung zeigen.

Verlockung für ausländisches Geld

Trotz negativer Nachrichten aus China haben globale Investoren ihre Allokationen in chinesische A-Aktien, also in die Papiere chinesischer Unternehmen, die an den Börsen von Shanghai oder Shenzhen gehandelt werden, weiter erhöht. Im März 2022 wurden erstmals seit 17 Monaten mehr ausländische Anlagegelder aus diesem Markt abgezogen als neu investiert. Mit der Einführung der Shanghai und Shenzhen Stock-Connect-Programme in den Jahren 2014 beziehungsweise 2016 hatte die chinesische Regierung den Weg für höhere grenzüberschreitende Investitionen geebnet. Im „Südwärtshandel“ nutzen in Festlandchina ansässige Investoren die Börsen von Shanghai oder Shenzhen, um in Hongkong notierte Aktien zu kaufen. Investoren außerhalb von Festlandchina können wiederum über die Börse in Hongkong A-Aktien kaufen, die in Shanghai oder Shenzhen gehandelt werden – der sogenannte „Nordwärtshandel“. Ein Trend: Der allgemeinen Erwartung nach wird China seine Märkte in den kommenden Jahren weiter für ausländische Investitionen öffnen. Dazu mag auch der Kurs beitragen, den Umweltschutz ernst zu nehmen. Immerhin will China in gut vier Jahrzehnten CO2 -neutral wirtschaften. Und das kostet. Schon jetzt gibt das Land 36 Prozent aller weltweiten Klimaschutz-Bonds aus.1

Bis zum Jahr 2060 will China bei net-zero sein, also kein Kohlendioxid mehr ausstoßen.2

HEHRE ZIELE, HOHE KOSTEN

Diagramm: geschätzt für das Jahr 2020 - ca. 1,4 Billionen US-Dollar und hochgerechnet für das Jahr 2030 -ca. 4,3 Billionen US-Dollar

Für das Ziel der Klimaneutralität wird weltweit viel Geld gebraucht: Allein zwischen den Jahren 2020 und 2030 dürfte sich der Bedarf verdreifachen.3

Unterschätzte Größe

In den globalen Aktienindizes kommt Chinas wirtschaftliches Potenzial noch nicht zum Tragen – trotz seines beeindruckenden Wachstums und seiner großen Ambitionen. Tatsächlich ist die Diskrepanz zwischen den traditionell geringen Portfolioallokationen und Chinas Wirtschaftsstärke und Marktgröße ein wesentlicher Grund für den langfristigen Aufwärtstrend bei den ausländischen Investitionen in chinesische A-Aktien. Am 31. Dezember 2021 waren die USA im MSCI AC World Index mit 61,3 Prozent gewichtet, China dagegen nur mit 3,6 Prozent. Mit der zunehmenden Integration der chinesischen Kapitalmärkte in das globale Finanzsystem sollte diese Lücke kleiner werden. Und mit Chinas wachsendem wirtschaftlichen Einfluss dürften auch die globalen Allokationen in chinesische Aktien weiter steigen.

Kein Gleichschritt mit dem Rest der Welt

Eine Allokation in chinesische Aktien kann zur Portfoliodiversifikation beitragen. Über die vergangenen zehn Jahre wiesen A-Aktien eine Korrelation von 0,31 mit globalen Aktien auf. Das bedeutet, dass sich beide fast 70 Prozent der Zeit in unterschiedliche Richtungen bewegten. Die Korrelation zwischen US-amerikanischen und globalen Aktien beträgt dagegen 0,97. Daher kann eine Beimischung chinesischer A-Aktien in ein globales Portfolio zu einem insgesamt besseren Risiko-Ertrags-Profil beitragen.

Mehr Überraschungen, mehr Möglichkeiten

Investments in China sind mit anderen Risiken und größeren Ungewissheiten verbunden als Anlagen in westlichen Industrieländern. Deutlich gezeigt hat sich dies zum Beispiel am harten Vorgehen der chinesischen Regierung gegenüber Onlineplattformen und Immobilienunternehmen im Jahr 2021 – und an der darauffolgenden Wachstumsabschwächung. In der Vergangenheit wurden Anleger, die auf chinesische Aktien gesetzt hatten, jedoch in der Regel auch mit einer langfristigen Outperformance belohnt. Hypothetisch betrachtet hätte eine Anlage in den MSCI China Index von Ende 2000 bis zum 30. April 2022 auf US-Dollar-Basis eine Rendite von 418 Prozent erzielt – doppelt so viel wie eine Anlage in europäische Aktien, gemessen am MSCI Europe Index. In der Vergangenheit haben sich volatile Phasen, wie wir sie zuletzt erlebt haben, für viele langfristige Investoren als Kaufgelegenheit erwiesen.

Schlechte Nachrichten? Gut eingepreist!

Chinesische Aktien notieren unter ihrem historischen Durchschnitt. Das gilt sowohl für chinesische Onshore-Aktien (A-Aktien) als auch für die in Hongkong notierten Offshore-Aktien. Das signalisiert, dass ein Großteil der schlechten Nachrichten zur Wachstumsabschwächung in China bereits eingepreist ist. Längerfristig betrachtet meinen wir, dass sich durch die Kursrückschläge der letzten Monate zunehmend attraktive Gelegenheiten zum Kauf hochwertiger Aktien eröffnet haben.

Im Jahr 2025 soll Chinas Big-Data-Industrie laut Plan 471 Milliarden Dollar schwer sein. Gegenüber dem Jahr 2020 wäre das eine Verdreifachung.4

Innovation + Transformation = Wachstum

China hat in kurzer Zeit einen weiten Weg zurückgelegt. Das einst als „Werkbank der Welt“ bekannte Land hat seine Wirtschaft weg von der Billigproduktion hin zu Hightech-Bereichen verlagert, die für sein Wachstum und seine Unabhängigkeit unerlässlich sind. China versucht, bei wichtigen Zukunftstechnologien wie Halbleitern und anderen strategisch wichtigen Bereichen wie der heimischen Energieversorgung unabhängiger zu werden. Zusammen mit einer rasch wachsenden Mittelschicht und einem steigenden Inlandskonsum sind Hightech-Innovationen ein wichtiger Treiber der chinesischen Wachstumsstory.

2,5-mal höher lag im Jahr 2020 die Zahl der Patentanmeldungen Chinas im Vergleich zu den USA.5

Alles, nur kein „One trick“-Pony

Für Anleger gibt es viele Möglichkeiten, in Aktien chinesischer Unternehmen zu investieren. Tatsächlich sind die chinesischen Kapitalmärkte viel breiter und tiefer, als vielen Anlegern bewusst ist. Das ist während der jüngsten Regulierungswelle noch wichtiger geworden, da einige Titel davon mehr als andere betroffen waren – vor allem an USBörsen notierte American Depositary Receipts (ADRs) und bestimmte in Hongkong gelistete Aktien. Außerdem bilden die chinesischen Aktienmärkte ein breites Spektrum von Branchen ab. Strukturelle Wachstumsbereiche wie Industrie, Technologie und Werkstoffe konzentrieren sich vor allem auf Festlandchina, während Internetunternehmen und traditionelle Branchen wie Immobilien, Versorgung und Energie eher offshore zu finden sind. Die vielfältigen Anlageoptionen und die Branchenvielfalt sind zwei der Gründe, warum chinesische Aktien ein attraktives Investment darstellen können. Eben Vielfalt statt Einfalt, statt eines „One trick“-Ponys.

1 Climate Bond Initiative, „Climate Investment Opportunities …“, Juli 2021
2 Allianz Global Investors, „How China can achieve …“, August 2022
3 Oliver Wyman, „China has a Unique Edge …“, November 2021
4 International Association of Accounting Professionals, „China puts Focus on Improving (…)“, Dezember 2021
5 World Intellectual Property Organization, „World Intellectual Property Organization (…)“, November 2021

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