Update Magazine II/2022
Mehr als nur eine Stilfrage
Bei steigender Inflation denken viele Investoren traditionell an Aktien – gut. Doch besser ist es, genauer hinzuschauen. Und an ganz bestimmte Sektoren oder Stile zu denken.
Die Inflation hat beinahe den höchsten Stand seit einer Generation erreicht. Für viele Anleger stellt sich daher die Frage, wie sich längerfristig hohe Inflationsraten auf die Finanzmärkte und damit auf ihre Portfolios auswirken könnten. Dabei hilft der Blick in die Vergangenheit. Doch zuvor der Blick in die Gegenwart.
Es ist zwar nicht unüblich, dass die Inflation im Laufe des Konjunkturzyklus auch einmal hoch ausfällt, aber der aktuelle Inflationszyklus weist doch einige Besonderheiten auf. Durch die Covid-19-Pandemie wurden die globalen Lieferketten so stark wie nie zuvor unterbrochen. Darüber hinaus hat die Invasion der russischen Streitkräfte in die Ukraine die Versorgung mit Energie, Dünger und Getreide gestört. Weil diese Faktoren zusammenkamen, sind die Preise so stark angestiegen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auch der Arbeitsmarkt hat sich durch die Pandemie tiefgreifend verändert. Dadurch steigen die Löhne, wodurch sich die Inflation verstetigt. So weit die Gegenwart. Und was lehrt der Blick in die Vergangenheit?
Aktie ist nicht gleich Aktie
Er zeigt, dass Aktien in jenen Phasen, in denen die Wirtschaft wuchs und die Inflation moderat war, vergleichsweise gut abgeschnitten haben. Bei steigenden Inflationserwartungen können die Kurse zwar kurzfristig sinken, aber langfristig gelten Aktien insgesamt als gute Inflationsabsicherung. Allerdings ist Aktie nicht gleich Aktie. Es lohnt sich, genauer zu untersuchen, welche Folgen die Inflation auf die einzelnen Sektoren hat. Beispiel US-Wirtschaft, der Wirtschaftsraum also mit den belastbarsten Inflationsdaten: Unternehmen aus Sektoren wie etwa Energie und Grundstoffe halten beziehungsweise kontrollieren häufig physische Vermögenswerte und verkaufen gegebenenfalls rohstoffbasierte Produkte. Weil der Wert ihrer Aktiva und der Preis ihrer Produkte parallel zur Inflation ansteigen, weisen ihre Aktienkurse eine positive Korrelation mit den Inflationsraten auf. Mit anderen Worten: In der Regel steigen ihre Kurse also bei einer Inflationsbeschleunigung an. Bei Unternehmen aus Sektoren wie Grundbedarfsgüter und Versorger ist dagegen eine negative Korrelation mit den Inflationsraten zu erkennen. Das liegt in einem hohen Maß daran, dass diese Unternehmen Rohstoffe verbrauchen und daher höhere Input-Preise akzeptieren müssen. Das wiederum wirkt sich im Durchschnitt negativ auf deren Gewinnmargen und Aktienkurse aus.
Wenn man noch etwas genauer hinsieht, findet sich auch die Antwort auf die Frage, ob innerhalb eines Sektors bestimmte Unternehmen stärker von der Inflation betroffen sind als andere. Damit stoßen wir auf das Gebiet des aktiven Portfoliomanagements vor, das möglichst potenzielle Gewinner identifizieren soll. Manche Unternehmen können ihre Preise erhöhen und so gestiegene Kosten an ihre Kunden weitergeben. Aktive Anleger versuchen, genau solche Unternehmen anhand der Entwicklung des Absatzes und der Gewinnmargen zu identifizieren. Sie suchen qualitativ hochwertige Unternehmen mit hohen und stabilen Gewinnmargen, die bei hohen oder steigenden Inflationsraten tendenziell besser abschneiden.
Langfristig gelten Aktien insgesamt als gute Inflationsabsicherung.
A/ POSITIV ODER NEGATIV? SO KORRELIEREN BESTIMMTE SEKTOREN MIT DER INFLATION.
Quelle: Allianz Global Investors, Stand: März 2022.
Stil als Inflationsschutz?
Zahlreiche Anleger wollen mithilfe von Style-Investing den Gesamtmarkt im Durchschnitt schlagen. Auch da hilft der Blick in die Vergangenheit: Research-Analysten aus dem Systematic-Equity-Team von Allianz Global Investors haben untersucht, wie verschiedene bekannte Aktienanlagestile in acht Phasen mit hohen Inflationsraten in den USA seit dem Jahr 1940 abgeschnitten haben.16 Der Befund: Attraktiv bewertete Aktien, sogenannte Value-Titel, haben die Benchmark in sechs von acht Phasen geschlagen. Momentum-Aktien, Papiere also, die anhand ihrer Wertentwicklung in den vorhergehenden 12 Monaten ausgewählt worden waren, haben ihren Lauf im Durchschnitt fortgesetzt und die Benchmark ebenfalls in sechs von acht Phasen geschlagen. Mehr noch: Diese Aktien haben bei hohen Inflationsraten im Durchschnitt höhere Überschusserträge erzielt als in normalen Phasen. Unternehmen mit höheren Gewinnen oder einer solideren Bilanz, die sogenannten Quality-Aktien, haben die Benchmark in vier der sechs Phasen geschlagen, für die Daten zur Verfügung standen.
Für Anleger ergeben sich daraus vier Schlussfolgerungen. Erstens: Bei steigenden Inflationserwartungen können die Kurse zwar kurzfristig sinken, aber insgesamt gelten Aktien langfristig als gute Inflationsabsicherung. Zweitens: Unternehmen aus den Sektoren Energie und Grundstoffe haben in der Vergangenheit eine positive Korrelation mit der Inflation aufgewiesen. Der Wert ihrer Aktiva und die Preise ihrer Produkte steigen also tendenziell, wenn sich die Inflation beschleunigt. Drittens: Innerhalb der einzelnen Sektoren sind einige Unternehmen besser dazu in der Lage, ihre Preise zu erhöhen und die gestiegenen Kosten an die Verbraucher weiterzugeben. Aktive Asset-Manager können versuchen, diese Unternehmen anhand der Entwicklung der Absatzzahlen und der Gewinnmargen zu identifizieren. Viertens: In der Vergangenheit haben die Anlagestile Value, Momentum und Quality in Phasen mit hohen Inflationsraten tendenziell überdurchschnittlich abgeschnitten.
Die Inflation? Hat beinahe den höchsten Stand seit einer Generation erreicht. Doch Anleger können sich mit entsprechenden Aktienstrategien wehren.
1 Henry Neville, Teun Draaisma, Ben Funnell, Campbell R. Harvey and Otto Van Hemert, 2021, „The Best Strategies for Inflationary Times“, Mai 2021 | Kenneth R. French, „Data Library“, mba tuck Dartmouth, 2022