Update Magazin I/2023
Nachhaltig notiert: Sechs Lektionen für die Zukunft
Es ist einer der ganz großen Trends der Zeit – Nachhaltigkeit. Unternehmen sehen sich den damit einhergehenden Herausforderungen genauso gegenüber wie Investoren. Umso wichtiger ist es, nicht nur auf die Oberfläche des Begriffs zu schauen, sondern auf all seine Facetten. Genau deshalb findet sich an dieser Stelle des Magazins nun eine neue Rubrik, in der Matt Christensen jeweils einen Aspekt des Themas aufgreift. Eben nachhaltig notiert.
Ein scheinbar lokaler Konflikt hatte weitreichende globale Auswirkungen: Die Folgen des Kriegs in der Ukraine reichen bis in „Just in Time“-Wirtschaft, Politik und bewährte Vorstellungen von Nachhaltigkeit. Daraus lassen sich sechs Lehren ziehen.
Erstens: Der Konflikt hat die Frage nach der Energiesicherheit insbesondere in Europa in aller Deutlichkeit aufgeworfen. Das gilt für den Zugang zu Energie, aber auch für deren Bezahlbarkeit. Die Lehre daraus: Wir müssen das Tempo hin zu erschwinglichen, sauberen und alternativen Energiequellen erhöhen.
Zweitens: Um unsere Ambitionen im Bereich der sauberen Energie umsetzen zu können, müssen wir auch darüber nachdenken, wie und woher wir etwa die dafür notwendigen strategischen Metalle und Mineralien beziehen.
Dazu kommt Punkt drei: Wir müssen das globale Ökosystem systematisch umgestalten. Unterbleibt dieser Schritt nämlich, wird sich die weltweit ungleiche Situation hinsichtlich der Ernährung verschärfen. Auch werden die Folgen der Nahrungsmittelerzeugung für den Klimawandel nicht gemildert. Und mehr noch: Auch die ohnehin angeschlagenen Gesundheitsdienste könnten damit zusätzlich unter Druck geraten.
Viertens: Mit dem Krieg rückte auch das Thema der Kapitalallokation für den Verteidigungssektor in den Vordergrund. Mit Blick auf umstrittene Waffen wie etwa Landminen oder Streubomben gibt es schon einen Konsens unter Investoren. Ein Konsens, wie er bei der Frage nach Aufnahme oder Ausschluss von Rüstungsunternehmen in Fonds mit Nachhaltigkeitslabel noch aussteht. Genauer, von Rüstungsunternehmen, die sich mit militärischen Ausrüstungen und Dienstleistungen oder Atomwaffen befassen – sei es innerhalb oder außerhalb des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV). Dabei gibt es unbeabsichtigte Folgen der Datenerfassung innerhalb des NVV und der Unterscheidung zwischen dem Hauptzweck und den Kernkomponenten von Nuklearausrüstungen. Daher werden wir unseren Ansatz nach eingehender Analyse demnächst präzisieren.
Und fünftens? Die Energiekrise infolge des Krieges in der Ukraine hat auch das Schlagwort ESG sehr schnell zu einem politisch brisanten Thema gemacht. So wurde gerade in Europa der anhaltende Mangel an Investitionen in die Energieinfrastruktur auch den ESG-Normen o.ä. und einer praxisfremden Klimaagenda angelastet. Freilich, viele dieser Vorwürfe wurden durch politische Agenden betrieben und sind substanzlos. Dennoch sehen wir unter dem Strich den Bedarf an einem modernisierten, robusten und nicht finanziellen Bezugssystem mit Blick auf Risiken, das in alle Anlagestrategien einfließen kann. Wir erwarten außerdem, dass die Risikoanalysen von bloßen unspezifischen und aggregierten E-, S- oder G-Scores hin zu spezifischen Elementen idiosynkratischer Risiken innerhalb der drei Aspekte Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung (E, S und G) übergehen wird.
Zu guter Letzt und sechstens: Die Ereignisse des vergangenen Jahrs haben der Widerstandsfähigkeit des ESG-Ansatzes auf den Zahn gefühlt. Darüber hinaus wurde deutlich, wie wichtig es ist, den Übergang „hin zu grün“ tatsächlich anzugehen, anstatt sich nur darauf zu fokussieren, „grün zu sein“. Eben eine echte Transition zu schaffen. Denn wir brauchen einen globaleren inklusiven Ansatz mit „impact“ auf die reale Welt und die künftige wirtschaftliche Resilienz.
Wenn wir also aus den schockierenden Ereignissen, die am 24. Februar 2022 ihren Anfang nahmen, eines gelernt haben, dann das: Die ESG-Welt wird ihre wirtschaftliche und politische Logik künftig verfeinern. Einfach, weil Länder und Wirtschaftsblöcke damit gewährleisten, dass ihre Energiesicherheit enger mit ihren Klimazielen verbunden ist. Die Notwendigkeit dazu ist mehr als deutlich.