Investment Forum 2019 in Frankfurt: Erkenntnisse und Handlungsmöglichkeiten

von | 22.08.2019
Investment Forum 2019 in Frankfurt: Erkenntnisse und Handlungsmöglichkeiten

Zusammenfassung

Was bedeutet es eigentlich, wenn man sich als langfristig orientierter Anleger versteht? Dies war eine der zentralen Fragen, um die sich die Diskussionen beim Investment Forum in Frankfurt drehten. Unter anderem ging es um den Klimawandel und die künftige Entwicklung Europas – und unsere Anlagestrategen arbeiteten die Überzeugungen heraus, auf denen die langfristigen Investmentstrategien für unsere Kunden basieren.


Update Magazin II/2019
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Nachhaltigkeit ist ein Faktor, den kein Anleger ignorieren kann

Die Auftaktveranstaltungen des Forums konzentrierten sich vor dem Hintergrund einer breiteren Diskussion über nachhaltiges Investieren auf den Klimawandel, da sich die Anleger zunehmend für dieses Gebiet interessieren. Wir verwalten seit knapp zwei Jahrzehnten nachhaltigkeitsorientierte Portfolios und konnten unseren Kunden so aufzeigen, dass Umwelt-, Soziale und Governance-Faktoren („ESG-Faktoren“) helfen können, das Risiko-Ertrags-Profil zu verbessern. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist Nachhaltigkeit für zahlreiche Anleger, insbesondere große institutionelle Investoren, zu einem wichtigen Gesichtspunkt geworden. Künftig wird es den Anlegern immer stärker darum gehen, ob und wie sie über ihre Investitionstätigkeit Einfluss auf die Entwicklung in der realen Welt ausüben können.

Insbesondere angesichts der drängenden Klimawandelproblematik achten zahlreiche Anleger inzwischen zunehmend auf Nachhaltigkeit. Unternehmen werden bei ihrer Tätigkeit künftig verstärkt Klimaschutzvorgaben beachten müssen (weltweit sind knapp 1 500 Klimaschutz-Standards und entsprechende gesetzliche Vorgaben in Kraft). Das Interesse der Öffentlichkeit an solchen Themen dürfte für noch intensiveren Druck sorgen. Viele dieser Vorgaben zielen darauf ab, einerseits die Unternehmen zu Verhaltensänderungen zu bewegen und andererseits die Anleger dazu zu veranlassen, ihr Kapital in Investitionen mit einem positiven Einfluss zu lenken. Ungeachtet der persönlichen Einstellung der Anleger zum Thema Klimawandel wird jedes weltweit tätige Unternehmen künftig unvermeidlich damit rechnen müssen, dass sich die Öffentlichkeit stärker für den Umgang mit dieser Frage interessieren wird.

Zudem geht es beim nachhaltigen Investieren nicht nur um den Klimawandel. Der Ansatz trägt auch zu einer besseren Corporate Governance und nachhaltigeren Geschäftsmodellen bei. Mit Hilfe unseres integrierten ESG-Ansatzes können wir etwaige Risiken für das Geschäft eines Unternehmens über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg besser erfassen. Und wenn ein Unternehmen ein niedriges ESG-Rating aufweist, können wir zusammen mit ihm daran arbeiten, diese Situation und damit auch sein Ertragspotenzial zu verbessern. Wir verstehen uns als aktiver Anleger, weshalb Diskussionen mit Vorständen und Management-Teams zur Herausarbeitung klarer Ziele und zur Verbesserung der Unternehmensführung untrennbar zu unserer Vorgehensweise gehören.

Außerdem interessieren sich unsere Kunden zunehmend für Impact Investments, bei denen stabile Erträge mit bestimmten Zielen für die Gesellschaft oder die Umwelt kombiniert werden. Dies gilt vor allem für die jüngeren Generationen, die als Anleger zunehmend an Einfluss gewinnen werden (siehe Grafik A/).

A/ Voraussichtlich kräftiges Wachstum im Impact Investing

Grafik: Voraussichtlich kräftiges Wachstum im Impact Investing

Quellen: AllianzGI, Hub Investmentschätzungen; GIIN Annual Impact Investor Survey 2018

Risiken müssen weiterhin eingegangen werden – aber man sollte kluge Entscheidungen treffen

Die Weltwirtschaft laviert sich durch das Spätstadium des Zyklus. Aufgrund von Volatilitätsspitzen sind jedoch zahlreiche Anleger und anscheinend auch die Federal Reserve nervös geworden. Um das Wachstum und die Inflation anzukurbeln, werden die Zentralbanken weltweit die Zinsen noch für längere Zeit niedrig halten, und in den USA werden inzwischen sogar baldige Zinssenkungen eingepreist. Diese geldpolitischen Impulse sollten die Vermögenspreise langfristig stützen, so dass Rücksetzer bei risikobehafteten Vermögenswerten eher als Kaufgelegenheit anzusehen sind. Allerdings sollten die Anleger die Bewertungen im Auge behalten.

Die niedrigen Zinsen dämpfen auch die Renditen von Staatsanleihen, was Anleger jedoch nicht abschreckt. Schätzungen von Bloomberg zufolge halten die Anleger derzeit negativ rentierende Anleihen im Wert von knapp 10 Billionen US-Dollar. Manche Anleger sind so risikoscheu, dass sie den Wertverlust von Investitionen in „sichere“ Vermögenswerte bereitwillig hinnehmen und nichts unternehmen, um die Kaufkraft ihrer Ersparnisse zu schützen.

Unter anderem sind die Anleger wegen der Entwicklungen im Welthandel und eines möglichen Handelskonflikts besorgt. US-Präsident Donald Trump hat Zölle mit einem gewissen Erfolg als Druckmittel in Verhandlungen eingesetzt; China allerdings hat auf diese Taktik so wenig reagiert, dass wir jetzt nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 : 50 mit der Unterzeichnung eines Handelsabkommens rechnen. Für Chinas Präsidenten Xi Jinping steht mit dem „Made in China 2025“-Plan (demzufolge sich Chinas verarbeitendes Gewerbe verstärkt auf Sektoren mit größerer Wertschöpfung wie z. B. Technologie und saubere Energie konzentrieren soll) zu viel auf dem Spiel, als dass er sich allzu nachgiebig gegenüber den USA zeigen dürfte. Zudem konzentriert sich US-Präsident Trump zwar derzeit auf China – aber es ist nicht auszuschließen, dass er auch Zölle gegen Europa und andere traditionelle Verbündete der USA verhängt.

Da im Jahr 2020 Wahlen anstehen und eine US-Rezession in jenem Jahr zunehmend wahrscheinlicher wird, wird Trump nach anderen Wegen suchen, um seine Kernwähler zu motivieren. Dies unterstreicht einmal mehr, dass die Anleger überall die politischen Risiken im Blick behalten sollten. Dennoch sind wir der Überzeugung, dass es ein Fehler – beziehungsweise schlicht unmöglich – wäre, Risiken komplett zu meiden. Anleger müssen gewisse Risiken eingehen, um eine akzeptable Rendite zu erzielen. Dabei sollten sie aber genau auswählen und das Risiko aktiv managen sowie dabei fundamentale Recherchen nutzen, um erkenntnisgetragene Entscheidungen zu treffen und ESG-Faktoren einzubeziehen.

Diversifizierung ermöglicht, Erträge in einem Umfeld niedrigen Wachstums und niedriger Renditen zu erzielen

Auch in der Spätphase des Konjunkturzyklus bieten sich noch Chancen für Anleger. US-Aktien haben sich in jüngster Zeit gut entwickelt (siehe Grafik B/); wichtige Indizes konnten nach einem schwierigen vierten Quartal 2018 im bisherigen Verlauf von 2019 zweistellige Zuwachsraten erzielen. Dieses Tempo ist allerdings möglicherweise auf Dauer nicht durchzuhalten. Wir gehen davon aus, dass die Erträge an den US-Aktien- und -Rentenmärkten in den kommenden zehn Jahren niedriger ausfallen und eine geringere Korrelation aufweisen werden. Außerhalb der USA dürften die Anleiheerträge ebenfalls niedrig sein, und die Aktienerträge sollten dem sehr langfristigen Niveau entsprechen. Es ist daher sinnvoll, sowohl auf den Marktertrag (Beta) als auch auf die Überrendite (Alpha) zu setzen, zumal die Beta-Erträge niedriger ausfallen und stärker schwanken dürften. Angesichts des gedämpfteren Ertragsausblicks sollten die Anleger ihre Vermögensallokation gegebenenfalls mit Blick auf ihre langfristigen Ziele neu ausrichten.

Welche Möglichkeiten bieten sich? Hier stellen wir einige Vorschläge vor:

Alternative Investments können sowohl das Anlageergebnis als auch das Risikoprofil verbessern. Liquide alternative Investments eignen sich angesichts ihrer historisch niedrigen Korrelation mit Aktien und Anleihen gut zur Diversifizierung. Illiquide alternative Investments können in Zeiten niedriger Zinsen eine potenziell interessante Zusatzrendite – den Illiquiditätsaufschlag – bieten, und Anleger interessieren sich in der Tat lebhaft für Eigen- und Fremdkapitalanlagen im Infrastruktursektor sowie für Private Equity/Private Debt. Als aktiver Asset Manager können wir den Anlegern Hilfestellung geben, wie sie ihre Anlageziele mit Hilfe alternativer Investments erreichen können, zumal das verfügbare Universum an alternativen Vermögenswerten immer größer wird.

Investitionen mit regelmäßigen Ausschüttungen sind dazu bestimmt, gleich mehrere Vorteile für die Portfoliozusammensetzung zu bieten: von stabileren, berechenbaren Erträgen bis hin zu einem niedrigeren Risikoprofil. „Chancenreichere“ Vermögenswerte bieten gegebenenfalls attraktive Ertragschancen. Zu nennen wären in diesem Zusammenhang Aktien, die eine Dividende ausschütten, sowie qualitativ hochwertige Hochzinsanleihen (vor allem aus Asien und den USA) und Schwellenländeranleihen. Auch Vermögenswerte mit einer längeren Laufzeit könnten kurzfristig interessant sein, weil sie eine Absicherung gegen Aktienkursschwankungen bieten.

Eine differenzierte Betrachtung verschiedener Regionen und Sektoren gewinnt zunehmend an Bedeutung. Der Zinszyklus scheint seinen Höhepunkt zu erreichen, und es kommen Sorgen um die Weltwirtschaft und wegen des Handelskonflikts auf. Damit werden die Bewertungen zunehmend zu einer wichtigen Kennzahl. Unter diesem Gesichtspunkt sehen wir attraktive Chancen bei europäischen, Schwellenländerund asiatischen Aktien. Außerdem könnten die Ausschüttungen von Aktien in den kommenden Jahren das Gewinnwachstum übersteigen.

Europa ist bei den Anlegern seit einiger Zeit wenig beliebt. Wir sehen dort jedoch großes Potenzial, zumal die Europäische Zentralbank die Konjunktur weiter stützen will. Zwar sind nur relativ wenige weltweit führende Technologieunternehmen in Europa ansässig; dies heißt jedoch nicht, dass es an Wachstumschancen mangelt. Schließlich gibt es in Europa zahlreiche führende Unternehmen mit innovativen Produkten und Services und eine rekordhohe Anzahl von erfolgreichen Start-ups im Technologiesektor. Allerdings würde die Region von tieferen Kapitalmärkten und umfangreicheren fiskalpolitischen Impulsen auf nationaler Ebene profitieren. Die Anleger sollten sich auch darüber im Klaren sein, dass die EU bei anhaltenden Handelskonflikten und einem neuen „technologischen kalten Krieg“ zwischen den USA und China ins Kreuzfeuer geraten könnte. Gleichzeitig könnte Europa allerdings auch von den daraus resultierenden Verwerfungen der Wertschöpfungsketten profitieren.

Market-Timing könnte für aktive Anleger ebenfalls eine Option sein. In einem volatilen, sich aber insgesamt seitwärts bewegenden Markt bietet eine solche Strategie zusätzliche Renditechancen.

B/ US-Aktien erscheinen im historischen Vergleich teuer
Shiller-KGV – S&P 500 (Kurs-Gewinn-Verhältnis, 10 Jahre): Aktueller Wert 29,8

Grafik: US-Aktien erscheinen im historischen Vergleich teuer

Bei einem CAPE von 29,8 handelt der S&P 500 mit einer Standardabweichung von ≈ 1,88 über der historischen Norm. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Ergebnisse.
Quellen: AllianzGI, Robert Shiller; Stand: Mai 2019

Infografik: Nachhaltigkeit ist ein Faktor, den kein Anleger ignorieren kann

Infografik: Weiterhin müssen Risiken eingegangen werden

Infografik: Diversifizierung

Infografik: Aktiv und antizyklisches Vorgehen


Aktiv und antizyklisch vorgehen, damit Chancen genutzt werden können

Zahlreiche Faktoren, von Maßnahmen der Zentralbanken über politische Unsicherheit bis hin zu einer klassischen Mean- Reversion, dürften für mehr Marktvolatilität sorgen. Gerade das, was die Kurse bisher stützte, könnte sich künftig als ungünstig erweisen, da die Kurs-Gewinn-Verhältnisse ihren Höchststand erreichen und niedrige Zinsen die künftigen Erträge dämpfen. Einige Anleger halten sichere Vermögenswerte mit geringen Renditen oder US-Vermögenswerte, die weithin als attraktiv gelten, weil sie wenig andere Möglichkeiten für sich sehen. Tatsächlich jedoch haben sie zahlreiche Optionen.

Insofern sollten Anleger bei der Festlegung des optimalen Risikomixes für ihr Portfolio einen aktiven Asset Management-Ansatz in Erwägung ziehen – nicht zuletzt auch deshalb, weil passive Anlagen jeden Rücksetzer an den Märkten in vollem Umfang nachvollziehen, da sie ja die jeweiligen zugrundeliegenden Indizes nachbilden. Prozyklizität, also die Tendenz, der Herde zu folgen oder den Zyklus fortzuschreiben, kann unter Umständen beträchtliche Werte zerstören. Gute aktive Manager kennen einzelne Unternehmen, Sektoren und Märkte genau und können so überdurchschnittliche Erträge erzielen und absehen, wo sich in Zukunft Chancen bieten.

Dieses Wissen der aktiven Manager stützt sich über weite Strecken auf fundamentales Research, was vor allem bei Marktturbulenzen hilfreich ist. Hauseigenes Research zur Lieferkette eines Unternehmens etwa kann in Zeiten von Handelsstreitigkeiten und geopolitischen Spannungen sehr hilfreich sein, um Gewinner zu erkennen und Verlierer zu vermeiden. Gestützt auf das Research können die Anleger auch realistischere langfristige Ertragsziele aufstellen und das richtige Investment zum passenden Preis tätigen.

Letzteres ist wichtig angesichts des Kurssteigerungs- und Kursverlustpotenzials an den heutigen Märkten. Anleger sollten daher einerseits opportunistisch vorgehen und andererseits weit genug vorausschauen: Mit einem hinreichend langen Zeithorizont und einem aktiven Ansatz sind sie besser für verschiedene Marktumfelder gewappnet.




Ein Ranking, Rating oder eine Auszeichnung ist kein Indikator für die künftige Entwicklung und unterliegt Veränderungen im Laufe der Zeit. Soweit wir in diesem Dokument Prognosen oder Erwartungen äußern oder die Zukunft betreffende Aussagen machen, können diese Aussagen mit bekannten und unbekannten Risiken und Ungewissheiten verbunden sein. Die tatsächlichen Ergebnisse und Entwicklungen können daher wesentlich von den geäußerten Erwartungen und Annahmen abweichen. Es besteht unsererseits keine Verpflichtung, Zukunftsaussagen zu aktualisieren. Investieren birgt Risiken. Der Wert einer Anlage und Erträge daraus können sinken oder steigen. Ein Erfolg der Strategie kann nicht garantiert und Verluste können nicht ausgeschlossen werden. Investoren erhalten den investierten Betrag gegebenenfalls nicht in voller Höhe zurück.

Die Volatilität der Preise für Fondsanteilwerte kann erhöht oder sogar stark erhöht sein. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für künftige Ergebnisse. Wenn die Währung, in der die frühere Wertentwicklung dargestellt wird, von der Heimatwährung des Anlegers abweicht, sollte der Anleger beachten, dass die dargestellte Wertentwicklung aufgrund von Wechselkursschwankungen höher oder niedriger sein kann, wenn sie in die lokale Währung des Anlegers umgerechnet wird.

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Verbleibende Politikoptionen mehr als eine Dekade nach der Finanzkrise

von | 22.08.2019
Verbleibende Politikoptionen mehr als eine Dekade nach der Finanzkrise

Zusammenfassung

Mehr als eine Dekade nach Ausbruch der globalen Finanzkrise im Sommer 2007 wird von Finanzmarktteilnehmern und den Notenbanken die Frage nach den noch verbleibenden Politikoptionen gestellt: Welchen Spielraum haben Zentralbanken Zinsen erneut zu senken, um im Fall konjunktureller Abkühlung die Wirtschaft wieder anzukurbeln und die Inflationserwartungen zu stabilisieren? Könnten Zentralbanken ihre Anleihekäufe wieder aufnehmen? Welche anderen Optionen stehen zur Auswahl?

Implizit wird dabei unterstellt, dass die Zentralbanken die Hauptaufgabe der Konjunktursteuerung tragen und ein Mehr an Stimulus auch ein Mehr an Wachstum bedeutet und somit der Nutzen einer geldpolitischen Lockerung stets die Kosten übersteigt. Ist dies wirklich so? Gelten diese Annahmen uneingeschränkt? Welche anderen Politikinstrumente jenseits der Geldpolitik stehen zur Verfügung? Was wäre der richtige Politikmix im aktuellen Umfeld? Auch stellt sich die Frage, ob überhaupt eine Nachfragestimulierung vonnöten ist. All diese Aspekte wollen wir im Folgenden adressieren.

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