Update Magazin I/2020

Internationale Rentenmärkte: niedrige Renditen – niedrige Returns

von | 07.04.2020

Zusammenfassung

Anfang des Jahres, noch bevor das Coronavirus die Nachrichten und das Weltgeschehen dominierte, diskutierten unsere weltweit tätigen Rentenmarktexperten zusammen mit uns Ökonomen über den kurz-, mittel- und längerfristigen Ausblick für die Anleihemärkte. Trotz zum Teil unterschiedlicher Sichtweisen haben sich dennoch einige gemeinsame Überzeugungen herauskristallisiert. Erstens, das Zinsumfeld bleibt auch im Jahr 2020 niedrig. Zweitens, wir erwarten niedrige Returns für Anleihemärkte auf mittlere und längere Frist. Drittens, Spreadmärkte sind gegenüber Staatsanleihen auf lange Frist zu bevorzugen, nicht aber zwingend kürzerfristig. Allerdings wird die Überrendite geringer ausfallen als in den Vorjahren. Gerade das aktuelle Umfeld mit einem im Vergleich zu früher weniger klaren Wachstumsausblick, gestiegener politischer Unsicherheit, einer möglichen Neujustierung der Geldpolitik sowie zum Teil ambitionierten Bewertungen bei Staatsanleihen und weiten Zinsaufschlägen bei Unternehmensanleihen spricht dafür, dass Portfolioentscheidungen aktiv und den jeweiligen Umständen angepasst getroffen werden müssen. Vor dem Hintergrund der rapiden Ausbreitung des Virus seit Mitte /Ende Februar waren einige der damals getroffenen Aussagen natürlich zu adjustieren. Die Realität hat uns hinsichtlich der Einschätzung für 2020 überholt. An den langfristig getätigten Erwartungen halten wir im Kern hingegen fest.


Update Magazin I/2020
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Bereits im zweiten Halbjahr 2019 haben die westlichen Zentralbanken die Geldpolitik wieder gelockert.

 

Anfang des Jahres diskutierten unsere weltweit tätigen Rentenmarktexperten zusammen mit uns Ökonomen über den kurz-, mittel- und längerfristigen Ausblick für die Anleihemärkte. Trotz zum Teil unterschiedlicher Sichtweisen haben sich dennoch einige gemeinsame Überzeugungen herauskristallisiert. In Folge der Coronakrise mussten gerade die Aussagen für das Jahr 2020 neu überdacht werden.

Das Zinsumfeld bleibt im Jahr 2020 niedrig

Wir erwarteten im Januar, dass, dass in diesem Jahr die Zinsen weiterhin auf einem recht niedrigen Niveau bleiben werden. Im Kern beruht diese Erwartung auf einer anhaltend expansiven Geldpolitik. So haben im Jahr 2019 die Zentralbanken den Märkten erneut gezeigt, dass sie bereit sind, bei bevorstehendem Gegenwind für die Konjunktur die Zügel zu lockern, d.h. die Zinsen zu senken und zusätzliche Liquidität bereitzustellen. Die Federal Reserve Bank hat nach der überraschend angekündigten Kehrtwende in ihrer Geldpolitik Ende Januar 2019 seit dem Sommer die Fed Funds Target Rate bis dato um 75 Basispunkte gesenkt. Die Ausweitung ihrer Bilanzsumme durch Bereitstellung zusätzlicher Liquidität und Käufe von US T-Bills sollte zwar ausschließlich der technischen Stabilisierung des US-Repomarktes nach den Verwerfungen im September letzten Jahres dienen, sorgte aber im Endeffekt ebenfalls für eine Unterstützung des Rentenmarktes. In der Eurozone hat die EZB im September den Einlagenzins erneut gesenkt. Und Anleihenkäufe wieder aufgenommen. Und dies alles bereits vor der Coronakrise.

Eine Änderung der aktuellen Geldpolitik der beiden wichtigsten Notenbanken war auch dann auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen, wenn sich der zyklische Ausblick verbessert hätte. Gerade die Fed hat hervorgehoben, dass sie die Zinsen erst dann wieder anheben würde, wenn die Inflation beharrlich („persistent“) über der Zielmarke von 2% bleiben würde. Ein kurzfristiges Übertreffen des Inflationsziels stellt somit keinen Handlungsgrund für eine Änderung der Geldpolitik dar. Für die EZB war eine Zinserhöhung auf längere Sicht ohnehin keine Option, verweist sie doch regelmäßig darauf, dass die Inflation deutlich unter dem angestrebten mittelfristigen Niveau von knapp unter 2% liegt.

Die Diskussion über eine eventuelle konjunkturelle Erholung, die wir Anfang des Jahres noch führten, hat sich spätestens seit Mitte Februar erübrigt. Wir gehen davon aus, dass die Welt infolge der Coronakrise in eine tiefe Rezession fallen wird.

Zu Beginn des Jahres gab die Entwicklung von Stimmungsindikatoren zunächst noch Anlass zur Hoffnung auf eine bessere Wirtschaftsentwicklung, zumal es auch Anzeichen für einen Rückgang der handelspolitischen Spannungen zwischen den USA und China gab und der Brexit endgültig vollzogen wurde.

Aber auch schon damals war in der Weltwirtschaft nicht alles Gold, was glänzte: Der globale Aufschwung ging bereits ins elfte Jahr. Die private Binnennachfrage in den USA schwächelte und weltweit hatte die Investitionsaktivität an Fahrt verloren. Grund hierfür war das schwache Gewinnwachstum. Dies war gerade für die USA insofern überraschend, als die Konjunktur über dem Potenzialwachstum wuchs und die Unternehmen noch von Steuersenkungen unter der jetzigen Administration profitierten. Zudem sind die Verschuldungsquoten weltweit wieder auf Niveaus gestiegen, wie wir sie zuletzt vor der Finanzkrise 2007–2009 gesehen haben.

Das Virus traf somit eine Weltwirtschaft, die also ohnehin schon anfällig war. Und so wie das Coronavirus besonders gefährlich für ältere Menschen mit Vorerkrankungen ist, ist die Weltwirtschaft gerade jetzt besonders anfällig gegenüber diesem externen Schock.

Die Tiefe, Schwere und Dauer der Rezesson hängt letztlich von der Ausbreitung des Virus, der Geschwindigkeit der Ausbreitung und den Folgewirkungen ab. So bricht infolge des Virus nicht nur die Nachfrage weg, es kommt auch zu massiven Verwerfungen in den Produktionsprozessen. Zudem steigen die Finanzierungskosten für Unternehmen und Haushalte. Aufgrund der hohen weltweiten Verschuldung ist deshalb auch das Risiko einer Finanzkrise signifikant hoch. Sentimentindikatoren sind im März zum Teil bereits auf Rekordtiefs gefallen. Vor diesem Hintergrund haben wir derzeit eine vorsichtige Einschätzung gegenüber Spreadprodukten relativ zu den hoch bewerteten Staatsanleihen, auch wenn die Bewertungen von Unternehmensanleihen inzwischen niedrig sind. Staatsanleihen sollten im aktuellen Umfeld profitieren. Ganz so einfach ist es aber auch nicht: Aufgrund niedriger Liquidität ist die Volatilität auch im Staatsanleihenmarkt sehr hoch. Dies erfordert eine tägliche Neubeurteilung der Positionierungen.

 

Niedrige Returnerwartungen auf längere Frist

Einigkeit bestand und besteht aber in der Erwartung, dass die Renditen für Anleihemärkte auf Sicht der nächsten Jahre, unabhängig von zyklischen Verwerfungen, niedrig sein werden. Das Hauptargument ist: Wir befinden uns in einem Umfeld niedrigen Trendwachstums, das, so die ökonomische Theorie und bestätigt durch empirische Daten, das langfristige Zinsniveau bestimmt. Was sind aber die Argumente für das zu erwartende niedrige Trendwachstum? Eine Erklärung ist die schwache demographische Entwicklung. In Japan und Europa schrumpft die Anzahl der Erwerbstätigen bereits, in den USA und in Asien außer Japan nimmt die Wachstumsrate rapide ab. Zum anderen ist das Produktivitätswachstum rückläufig, auch wenn dies in Zeiten großen technologischen Wandels überraschend ist.1

Die Stimmen derer, die eine „Japanisierung“ der Rentenmärkte in Europa und letztlich auch in den USA auf lange Sicht erwarten, d. h. weiter fallende Renditen auf Sicht mehrerer Jahre, werden dabei immer lauter. Das Hauptargument lautet hier: Die Zentralbanken werden in der nächsten Rezession, sich gezwungen sehen, die Zinsen weiter zu senken. Die Coronakrise hat diese Erwartungen schneller als gedacht bestätigt. Zudem hat die expansive Geldpolitik, insbesondere seit der Finanzkrise, ein Umfeld geschaffen, das den erneuten Anstieg der öffentlichen und privaten Verschuldung weltweit auf neue Rekordhochs begünstigt hat (siehe Grafik A/). Längerfristig wirken hohe Verschuldungsniveaus erfahrungsgemäß wachstumshemmend. Zudem lässt das weltweit hohe Schuldenniveau die Zentralbanken auch zögern, die Zinsen wieder auf ein „normales“ Maß anzuheben, gerade weil der Privatsektor z. T. auf niedrige Finanzierungskosten angewiesen ist. Man könnte sagen: Die Geister, die die Zentralbanken riefen, werden sie so schnell nicht mehr los.

Dennoch gibt es auch valide Argumente, die einem weiteren Rückgang der Anleiherenditen mittel- bis langfristig entgegenstehen bzw. auch für einen, zumindest auf Sicht der nächsten Jahre, leichten Anstieg der Renditen sprechen: Die Friktionen im internationalen Handel durch Handelsstreitigkeiten wirken sich zwar langfristig dämpfend auf das reale Wachstum aus, sind gleichzeitig aber auch inflationär. Ähnliches gilt für den globalen Klimawandel, der aus ökonomischer Sicht als langanhaltender Angebotsschock für die Weltwirtschaft gesehen werden kann. Auch könnte die ultraexpansive Geldpolitik der letzten Jahre dafür sorgen, dass Investoren wieder das Risiko einer steigenden Inflationsrate einpreisen, insbesondere dann, wenn weitere Lockerungsschritte durch die Zentralbanken eingeleitet werden bzw. die Zentralbanken sich strukturell für eine lockerere Geldpolitik entscheiden. Letzteres ist ein durchaus realistisches Szenario. So analysiert die Fed im Rahmen der strategischen Überprüfung ihrer Geldpolitik, ob sie als Zielinflationsgröße auf einen mehrjährigen Durchschnittswert umstellen sollte. Dies würde die Türe öffnen, auch bei einer Inflationsrate von über 2% – dem aktuellen Inflationsziel, die Zinsen niedrig zu halten, da die Inflation in den Jahren seit der Finanzkrise das derzeitige Ziel unterschossen hat. In der Eurozone steht eine analoge Diskussion innerhalb der EZB bevor.

Auch ist die Entwicklung der japanischen Wirtschaft nach Platzen der Blase 1989, d. h. jahrzehntelanges niedriges reales Wachstum, gekoppelt mit extrem niedriger Inflation bzw. Deflation, und des japanischen Rentenmarkts (Nullzinsen seit einigen Jahren) nicht zwingend das, was auch Europa und den USA droht. Sowohl die USA als auch Europa unterscheiden sich seit der globalen Finanzkrise 2007 / 09 in einigen Aspekten deutlich von der Entwicklung in Japan nach 1989: Während in Japan die Immobilienpreise über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten gefallen sind, haben sie sich in den USA und in Europa nach der Finanzkrise recht schnell wieder erholt und steigen derzeit z. T. rasant an.

 

A/ ENTWICKELTE LÄNDER: SCHULDEN / BIP IN %

 

Quelle: AllianzGI, BIS, Refinitiv, Daten per Q1 2019

Sowohl für die Bilanzen der privaten Haushalte als auch der Banken ist dies ein entscheidender Vorteil und dürfte sich langfristig positiv auf das Wachstum auswirken.

Sollte sich also die Geldpolitik auf lange Frist normalisieren, würde dies auch für eine Normalisierung der Marktrenditen sprechen. Aber auch in diesem Szenario würden die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Wir schätzen, dass selbst in einem Umfeld „normaler“ Zinsen die Zentralbanksätze in den USA aufgrund des niedrigen Trendwachstums nur auf ca. 3%, in der Eurozone auf 2% und in Japan auf weniger als 1% steigen würden – immer noch sehr gering im historischen Vergleich.

So oder so, die annualisierten Returns für Anleihemärkte erwarten wir im niedrigen einstelligen Bereich – höher in den USA als in Europa und Japan. Dies ist für die meisten Investoren zu wenig, um die Verbindlichkeiten auf lange Frist zu erfüllen (siehe Grafik B/).

 

B/ SCHWELLENMÄRKTE: SCHULDEN / BIP IN %

 

Quelle: AllianzGI, BIS, Refinitiv, Daten per Q1 2019

Der Zusatzertrag, der im Vergleich zu Staatsanleihen erzielt werden kann, sollte in diesem Jahr somit deutlich geringer ausfallen als im Vorjahr. 

Spreadmärkte langfristig gegenüber Staatsanleihen bevorzugt

In einem Umfeld niedriger Renditen und Rentenmarktreturns sind deshalb Rentenmarktsegmente, die einen Zusatzertrag gegenüber Staatsanleihen in Form einer Kredit- und Illiquiditätsprämie versprechen, fraglos auf den ersten Blick äußerst attraktiv. Dies gilt zumindest dann, wenn die Weltkonjunktur nicht in eine Rezession mündet. Bis vor wenigen Wochen, also vor Ausbruch der Coronakrise, waren deshalb viele Marktteilnehmer noch „risk-on“, d. h. sie gewichteten Anleihen mit einem Zinsaufschlag gegenüber Staatsanleihen im Porfolio über. Eine unmittelbar bevorstehende Rezession ist zwar nicht unser Basisszenario (siehe Grafik C/), wir können sie jedoch auch nicht gänzlich ausschließen – vor allem nicht nach dem Coronavirus-Ausbruch. Zudem waren die Zinsaufschläge (Spreads) für Unternehmensanleihen, sowohl im Investment Grade als auch im High-Yield-Segment, im historischen Vergleich im Januar bereits recht eng. Der Zusatzertrag, der im Vergleich zu Staatsanleihen erzielt werden kann, wäre somit in diesem Jahr somit deutlich geringer ausfallen als im Vorjahr, auch wenn die Coronakrise nicht zugeschlagen hätte. Im Falle einer harten ökonomischen Landung würde ein Investor in Staatsanleihen vermutlich sogar noch besser dastehen. Unsere Rentenmarktexperten passen deshalb die Portfoliopositionierung unter Berücksichtigung der zyklischen Einschätzung und des Risikoprofils des Portfolios im Januar bereits an. Die „Jagd nach Zinsaufschlägen“, die die vergangenen Jahre gekennzeichnet hat, wurde somit schon Anfang des Jahres schwieriger.

Wer einen langen, mehrjährigen Investmenthorizont hat, der sollte aber weiter strukturell Kredit- und Illiquiditätsrisiken ins Portfolio nehmen. Über den Zyklus hinweg sollte dies zu einem Zusatzertrag von ca. 70 Basispunkten für Unternehmensanleihen und etwa 200 Basispunkten für High-Yield-Anleihen führen – im Rahmen der historischen Überrenditen der jeweiligen Assetklassen gegenüber Staatsanleihen.

 

C/ 10 JAHRE ROLLIERENDE US STRAATSANLEIHENRETURNS P. A. VS US 10 JAHRE US TREASURY RENDITE (10 JAHRE VORLAUF)

 

Quelle: AllianzGI, GFD

Gerade das aktuelle Umfeld mit einem im Vergleich zu früher weniger klaren Wachstumsausblick zu Beginn einer globalen Rezession, unklarer politischer Lage, einer möglichen Neujustierung der Geldpolitik sowie z.T. deutlichen Verwerfungen der Bewertungen im Rentenmarkt spricht dafür, dass Portfolioentscheidungen aktiv und den jeweiligen Umständen angepasst getroffen werden mussen.

 


1 https://de.allianzgi.com/de-de/pro/maerkte-und-themen/update-magazin-de/artikel/innovationenund-hoehere-produktivitaet-sind-nicht-dasselbe.

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Über den Autor

Update Magazin I/2020

Mit der Allianz weltweit in Infrastruktur investieren: Allianz Global Diversified Infrastructure Equity Fund

08.04.2020
Kapitalmarkt-Implikationen 2019/2020

Zusammenfassung

Im vergangenen Jahr hat Allianz Capital Partners (ACP), ein Tochterunternehmen von AllianzGI, seinen ersten Infrastrukturfonds erfolgreich aufgelegt – den Allianz European Infrastructure Fund (AEIF). Während der Fokus des AEIF auf Core-Infrastruktur im Euroraum lag, strebt der Allianz Global Diversified Infrastructure Equity Fund (AGDIEF) attraktive, risikoadjustierte Renditen durch weltweite Eigenkapitalanlagen in Infrastruktur an. Die Strategie wird es sein, gemeinsam mit der Allianz in ein diversifiziertes, global aufgestelltes Infrastrukturportfolio („Core“, „Core+“ und „Value-Add“) zu investieren, das Primär- und Sekundärinvestitionen in Infrastrukturfonds sowie ausgewählte Co-Investments umfasst. Das der Strategie zugrunde liegende Anlageportfolio wird sich aus einer großen Anzahl an Einzelprojekten zusammensetzen und über Sektoren und Regionen hinweg diversifiziert sein.

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